Die Geschichte des Ordo Templi Orientis

von Frater Sabazius X° et Frater AMT IX°

 

Der O.T.O. wurde offiziell zwar erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts e.v. gegründet, doch erblickten mit ihm die verschiedenen Ströme der esoterischen Weisheit und Erkenntnis, die während der dunklen Zeitalter von politischer und religiöser Intoleranz von einander getrennt und in den Untergrund getrieben worden waren, erneut das Licht der Welt und wurden wieder zusammengeführt.

Die Wurzeln des O.T.O. liegen in der Tradition der Freimaurerei, des Rosenkreuzertums und der illuministischen Bewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts, der Kreuz- und Tempelritter des Mittelalters, sowie der frühen christlichen Gnosis und der heidnischen Mysterienschulen. Die Symbolik des Ordens birgt die wiedervereinigten geheimen Überlieferungen des Ostens und Westens in sich, und die harmonische Eingliederung dieser Überlieferungen hat ihn den wahren Wert der Offenbarung vom Buch des Gesetzes durch Aleister Crowley erkennen lassen.

Carl Kellner

Carl Kellner
Carl Kellner

Der geistige Vater des Ordo Templi Orientis war der wohlhabende österreichische Chemiker und Papierfabrikant Carl Kellner (Renatus, 1. Sept. 1851 – 7. Juni 1905). Kellner studierte die Freimaurerei, das Rosenkreuzertum, sowie die östliche Mystik und unternahm ausgedehnte Reisen durch Europa, Amerika und Vorderasien. Seinen eigenen Aussagen nach war er während seiner Reisen mit drei Adepten (einem Sufi, Soliman ben Aifa, und zwei hinduistischen Tantrikern, Bhima Sena Pratapa aus Lahore und Sri Mahatma Agamya Paramahamsa), sowie einer Organisation namens Hermetic Brotherhood of Light (Hermetische Bruderschaft des Lichts) in Berührung gekommen.

1885 begegnete Kellner Dr. Franz Hartmann (1838 – 1912), einem Gelehrten auf dem Gebiet der Theosophie und des Rosenkreuzertums. Er und Hartmann arbeiteten später bei der Entwicklung der „Ligno-Sulphit“ Inhalationstherapie bei Tuberkulose zusammen, die in Hartmann’s Sanatorium in der Nähe Salzburgs als Basistherapie eingesetzt wurde. Im Verlauf seiner Studien meinte Kellner, einen „Schlüssel“ entdeckt zu haben, der die unverhüllte Erklärung der gesamten komplexen Symbolik der Freimaurerei lieferte und der, wie Kellner glaubte, die Mysterien der Natur enthüllte. In Kellner begann sich der sehnliche Wunsch zu regen, eine Academia Masonica zu gründen, die alle Freimaurer in die Lage versetzen würde, sich mit sämtlichen existierenden Graden und Systemen der Freimaurerei vertraut zu machen.

Academia Masonica

Franz Hartmann
Franz Hartmann

1895 begann Kellner, seine Idee der Gründung einer Academia Masonica mit seinem Kollegen Theodor Reuss (Merlin oder Peregrinus, 28. Juni 1855 – 28 Okt. 1923) zu diskutieren. Im Verlauf dieser Diskussionen entschied Kellner, dass die Academia Masonica den Titel „Orientalischer Templer-Orden“ tragen sollte. Der okkulte innere Kreis dieses Ordens (des eigentlichen O.T.O.) sollte in seinem Aufbau an die höchsten Grade der freimaurerischen Memphis und Misraim Riten angelehnt werden und die esoterischen rosenkreuzerischen Lehren der Hermetic Brotherhood of Light (Hermetischen Bruderschaft des Lichts), sowie Kellners „Schlüssel“ zur freimaurerischen Symbolik vermitteln. Sowohl Männer als auch Frauen sollten zu allen Stufen dieses Ordens Zugang erhalten, wobei jedoch der Besitz der verschiedenen Grade und Hochgrade der Freimaurerei eine Voraussetzung für die Aufnahme in den inneren Kreis des O.T.O. darstellen sollte. Unglücklicherweise konnten Frauen aufgrund der Regeln der etablierten Großlogen, die der regulären Freimaurerei vorstanden, nicht zu Freimaurern gemacht werden, aufgrund welcher Tatsache sie von vornherein von der Mitgliedschaft im Orientalischen Templer-Orden ausgeschlossen gewesen wären. Dies mag einer der Gründe dafür gewesen sein, weshalb Kellner und seine Weggefährten beschlossen, Patente für viele Riten oder Systeme der Freimaurerei zu erlangen, um auf deren Grundlage das System im Hinblick auf die Aufnahme von Frauen reformieren zu können.

Die Diskussionen zwischen Reuss und Kellner führten zu dieser Zeit zu keinem nennenswerten Ergebnis, da Reuss überwiegend damit beschäftigt war, zusammen mit seinem Dresdner Kollegen Leopold Engel (1858-1931) den Illuminaten-Orden wiederzubeleben. Kellner stand dem wiederbelebten Illuminaten-Orden wie auch Engel selbst ablehnend gegenüber. Von Reuss wissen wir, dass Kellner nach seiner endgültigen Trennung von Engel im Juni 1902 erneut mit ihm in Verbindung trat, und die beiden beschlossen, mit der Stiftung des Orientalischen Templer-Ordens fortzufahren, wobei sie sich zunächst darum bemühten, die Autorisation zur Bearbeitung verschiedener Riten der Hochgrad-Freimaurerei zu erhalten.

Das Fundament der Freimaurerei

Theodor Reuss
Theodor Reuss

Theodor Reuss war nicht nur das Oberhaupt seines wiederbelebten Bayrischen Illuminaten-Ordens, sondern auch Großmeister des freimaurerischen Swedenborg-Ritus in Deutschland (Charter von W. Wynn Westcott vom 26. Juli 1901), Sonderinspektor des Martinisten-Ordens für Deutschland (Charter von Gérard Encausse vom 24. Juni 1901) und Magus des Hohen Rates in Germania der Societas Rosicruciana in Anglia (briefliche Vollmacht von W. Wynn Westcott vom 24. Feb. 1902). Mit Kellners Unterstützung bewarb sich Reuss bei dem englischen Gelehrten und Freimaurer John Yarker (1833-1913) um den Erwerb von Chartern zur Bearbeitung von drei Systemen der Hochgrad-Freimaurerei; es handelte sich hierbei um den Alten und Primitiven Ritus von Memphis des 97°, den Alten Orientalischen Ritus von Misraim des 90°, sowie den Alten und Angenommenen Schottischen Ritus des 33° (Rat von Cernau in New York, 1807).

Reuss erhielt von Yarker ein schriftliches Patent als Souveräner General-Großinspektor 33° des Schottischen Ritus von Cernau, datiert auf den 24. Sept. 1902. Einer veröffentlichten Abschrift zufolge stellte Yarker am selben Tage ein Patent zugunsten von Reuss, Franz Hartmann und Henry Klein aus, das es ihnen gestattete, ein Souveränes Sanktuarium 33° – 95° des Schottischen, des Memphis und des Misraim Ritus zu begründen. Yarker stellte am 1. Juli 1904 eine zweite Charter aus, welche Reuss Autorisation zur Bearbeitung besagter Grade bestätigte; und Reuss wiederum veröffentlichte eine Abschrift einer weiteren Erneuerungscharter vom 24. Juni 1905. Reuss begann 1902, das freimaurerische Journal Die Oriflamme zu publizieren.

John Yarker
John Yarker

Diese Riten wurden zusammen mit dem Swedenborg-Ritus als feste Bestandteile in die Gesamtstruktur des Ordens integriert. Der Swedenborg-Ritus enthielt eine Fassung der Johannis-Grade, und der Schottische Ritus von Cernau, sowie die Riten von Memphis und Misraim boten eine fast vollständige Auswahl aller vorhandenen Hochgrade, die bearbeitet werden konnten. Alle zusammen stellten dem Orden ein vollständiges freimaurerisches Initiationssystem zur Verfügung. Mit der Eingliederung dieser Riten war der Orden imstande, als ein vollkommen unabhängiges freimaurerisches System zu operieren. 1903 arbeiteten Reuss und Kellner gemeinsam ein kurzes Manifest aus, das im folgenden Jahr in der Oriflamme veröffentlicht wurde. Kellner verstarb am 7. Juni 1905, und Reuss übernahm die alleinige Leitung des Ordens. Mit Unterstützung der Mitbegründer Franz Hartmann und Heinrich Klein verfaßte Reuss 1906 eine Konstitution für den Orden.

Der O.T.O. unter Reuss

Rudolph Steiner (1861 – 1925), der zu jener Zeit Generalsekretär des deutschen Zweigs der Theosophischen Gesellschaft war, erhielt 1906 eine Charter als stellvertretender Großmeister eines untergeordneten O.T.O./Memphis/Misraim Kapitels und Großkonzils namens „Mystica Aeterna“ in Berlin. Steiner befasste sich ab 1912 mit der Gründung seiner Anthroposophischen Gesellschaft und brach seinen Kontakt mit Reuss 1914 ab.

Am 24. Juni 1908 organisierte Dr. Gérard Encausse (Papus, 1865 – 1916) in Paris eine „Internationale Konferenz über Freimaurerei und Spiritismus“, an der Reuss teilnahm. Im Verlauf dieser Konferenz erhielt Encausse von Reuss unentgeltlich das Stiftungspatent für einen „Höchsten General Groß-Rat der Vereinigten Riten der Alten und Primitiven Freimaurerei für den Grand Orient in Frankreich, sowie seiner Tochtergesellschaften in Paris“. Encausse hatte im vorangegangenen Jahr gemeinsam mit Jean Bricaud (1881 – 1934) und Louis-Sophrone Fugairon (geb. 1846) l’Église Catholique Gnostique, die Gnostisch Katholische Kirche, ins Leben gerufen, und zwar in Folge der Spaltung der neo-Albigensischen Kirche, die 1890 von Jules Doinel (1842-1903) in Paris gegründet worden war. Man geht allgemein davon aus, dass Reuss während dieser Konferenz seine Bischofsweihe und Bevollmächtigung als Primat für l’Église Catholique Gnostique von Encausse und Bricaud erhalten hat. In welchem Ausmaß sich Encausse darüber hinaus für den O.T.O. engagiert hat, ist unklar.

Ebenfalls im Verlaufe dieser Konferenz erhielt Dr. Arnold Krumm-Heller (Huiracocha, 1879-1949) eine Charter als Reuss offizieller Stellvertreter für Lateinamerika. Krumm-Heller gründete seinen eigenen Orden namens Fraternitas Rosicruciana Antiqua (F.R.A.). Nach Aussage seines Sohns Parsival hat er weder jemals O.T.O. Logen gestiftet, noch Mitglieder in den O.T.O. initiiert und auch keinerlei O.T.O. Offiziere ernannt.

Der O.T.O. unter Reuss und Crowley

Reuss reiste im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit häufig nach England. Auf einer dieser Reisen begegnete er Aleister Crowley (Baphomet, 12. Okt. 1875 – 1. Dez. 1947), und er verlieh ihm 1910 die drei Grade des O.T.O. Am 21. April 1912 stellte Reuss Crowley unentgeltlich eine Charter aus, die ihn zum Nationalen General-Großmeister X° des O.T.O. in Großbritannien und Irland ernannte. Crowleys Ernennung schloss die Bevollmächtigung für einen englischsprachigen Ritus der unteren (freimaurerischen) Grade des O.T.O. ein, welcher den Titel „Mysteria Mystica Maxima“ oder M∴M∴M∴ erhielt.

Am 1. Juni 1912 wurde unter Czeslaw Czynski eine Nationale Großloge für die slavischen Länder etabliert. Franz Hartmann verstarb am 7. August 1912. Im September 1912 veröffentlichte Reuss die „Jubiläumsausgabe“ der Oriflamme, und dies war die erste Ausgabe des Journals, die sich eingehender mit dem O.T.O. befasste und sogar fast ausschließlich den Belangen des O.T.O. gewidmet war. Kellner, Reuss und Crowley wurden als O.T.O. Mitglieder des X° angeführt.

Ebenfalls 1912 veröffentlichte Crowley das Manifesto des MMM∴, in welchem der M∴M∴M∴ als die britische Sektion des O.T.O. deklariert wurde, die „alle Länder einschließt, in denen im allgemeinen Englisch gesprochen wird“. Der O.T.O. wurde in diesem Dokument beschrieben als:

eine Körperschaft von Initiierten, in deren Händen die Weisheit und das Wissen der folgenden Körperschaften liegt
1. Die Gnostisch Katholische Kirche.
2. Der Orden der Ritter vom Heiligen Geist.
3. Der Orden der Illuminaten.
4. Der Orden vom Tempel.
5. Der Orden der Ritter vom Heiligen Johannes (Johanniter Orden).
6. Der Orden der Ritter von Malta (Malteser Orden).
7. Der Orden der Ritter vom Heiligen Grab.
8. Die Geheime Kirche vom Heiligen Graal.
9. Der Orden der Rosenkreuzer.
10. Der Heilige Orden vom Rose Croix von Heredom.
11. Der Orden des Heiligen Königlichen Gewölbes von Enoch.
12. Der Alte und Primitive Ritus der Freimaurerei (33 Grade).
13. Der Ritus von Memphis (97 Grade).
14. Der Ritus von Misraim (90 Grade).
15. Der Alte und Angenommene Schottische Ritus der Freimaurerei (33 Grade).
16. Der Swedenborg-Ritus der Freimaurerei.
17. Der Martinisten-Orden.
18. Der Sat Bhai-Orden.
19. Die Hermetische Bruderschaft des Lichts.
20. Der Hermetische Orden der Goldenen Dämmerung (Golden Dawn),
sowie viele weitere, nicht weniger verdienstvolle Orden, wenngleich auch von geringerer Bekanntheit. Er schließt nicht den A∴A∴mit ein, mit welcher erhabenen Körperschaft ihn jedoch eine enge Allianz verbindet.

 

Das Manifesto des MMM führte überdies das folgende Schema der Organisation des Ordens an:

0 Minerval
I M.
II M..
III M ∴ P ∴M ∴
IV Kompagnon vom Heiligen Königlichen Gewölbe von Enoch.Prinz von Jerusalem.Ritter des Ostens und Westens.
V Souveräner Prinz Rose Croix. Ritter vom Pelikan und Adler.Mitglied des Senats der Ritter der Hermetischen Philosophie. Ritter des Roten Adlers.
VI Erhabener Ritter (Templer) des Ordens von Kadosch und Kompagnon des Heiligen Graals.Groß Inquisitor Kommandant, Mitglied des Groß Tribunals.Prinz des Königlichen Geheimnisses.
VII Sehr Erhabener Souveräner General Groß-Inspektor.Mitglied des Höchsten Groß-Rates.
VIII Perfekter Oberpriester der Illuminaten.
IX Initiierter des Gnostischen Sanktuariums.
X Rex Summus Sanctissimus (Höchster und Heiligster König).

Die Ausgabe der Oriflamme vom September 1912 enthielt eine ähnliche Auflistung eines zehn Grade umfassenden Systems:

I Prüfling
II Minerval
III Johannis-Freimaurer
IV Schottischer-(Andreas-) Maurer
V Rose Croix-Maurer.
VI Templer-Rosenkreuzer.
VII Mystischer Templer
VIII Orientalischer Templer
IX Vollkommener Illuminat
X Supremus Rex

 

Aleister Crowley
Aleister Crowley

Somit hatten Crowley und Reuss 1912 das System der Johannis- und Hochgrad-Freimaurerei zu einem operativen System verdichtet, das zehn Grade, sowie die Symbolik einer Vielzahl weiterer okkulter und mystischer Gesellschaften umfasste. Kellners drei Grade der Academia Masonica bildeten den VII°, VIII° und IX° Grad dieses Systems. Der zehnte Grad (X°), „Rex Summus Sanctissimus“ oder „Supremus Rex“, designierte den Nationalen General-Großmeister des O.T.O. für ein bestimmtes Land, eine Region oder eine Sprachgruppe. Die höchste, weltweite Autoriät im Orden wurde dem Frater Superior oder Outer Head of the Order (O.H.O.) (Äußeres Oberhaupt des Ordens) verliehen. Die nationalen General-Großmeister waren dazu bevollmächtigt, in anderen Ländern, in denen die gleiche Sprache gesprochen wurde, ihre eigenen Stellvertreter zu ernennen, die den Titel „Vizekönig“ trugen. Ein Vizekönig konnte durch den O.H.O. auch in den Rang eines X° erhoben werden. Man erwartete von den nationalen General-Großmeistern, dass sie den O.T.O. in allen Angelegenheiten in Übereinstimmung mit der Konstitution des O.T.O. leiteten, und zwar weitestgehend ohne eine ständige Supervision durch das internationale Hauptquartier oder „Central Office“.

Das Manifesto des MMM∴ enthielt Photographien von Crowleys Landhaus in Schottland, das den Namen Boleskine trug und dem Orden als „Profess-Haus“ diente. Überdies war eine Liste mit Gebühren und Beiträgen für jeden Grad, wie auch eine Liste mit „Eingliederungs-Gebühren“ enthalten, der zufolge sich Freimaurer dem Orden entsprechend dem Grad, den sie in der Freimaurerei innehatten, anschließen konnten. Diese Listen wurden in der Ausgabe der Oriflamme von 1914 erneut abgedruckt, und zwar zusammen mit Übersetzungen der Bezeichnungen der Grade aus Crowleys Manifesto.

1912 war das System des O.T.O. ungeachtet der unterschiedlichen Einflüsse nach wie vor im Wesentlichen der Freimaurerei verbunden. In der Jubliäumsausgabe der Oriflamme schrieb Reuss, der O.T.O. sei

„kein Freimaurer-Orden, pure et simple, aber jedes Mitglied unseres Ordens, sei es Mann oder Frau, … muß durch die sämtlichen Grade der Johannis-Freimaurerei wie auch der Hochgrad-Maurerei gehen, ehe ein Mitglied ein Erleuchteter und Eingeweihter unseres Ordens werden kann“.

Die United Grand Lodge of England jedoch, der Crowley technisch gesehen seine Zugehörigkeit zur Freimaurerei verdankte, mißbilligte eine Durchführung der Johannis-Grade in England außerhalb ihrer Jurisdiktion, und sie widersetzte sich der Aufnahme von Frauen in die Maurerei. Aus diesem Grunde schloss Crowley die folgende Feststellung in sein Manifesto des MMM∴ ein:

„Der O.T.O. ist zwar eine Academia Masonica, jedoch keine freimaurerische Körperschaft, insoweit es die Johannis-Grade in dem Sinne anbetrifft, in welchem der Ausdruck in England gewöhnlich verstanden wird; und aus diesem Grunde missachtet oder verletzt er nicht die gerechten Privilegien der United Grand Lodge of England.“

Am 15. Februar 1913 erarbeitete Crowley eine Konstitution für den MMM in übereinstimmender Anlehnung an die Allgemeine Konstitution des O.T.O. Am 19. März 1913 stellten Reuss und Crowley gemeinsam eine Charter aus, die James Thomas Windram (Mercurius, 1877 – 1939) zum offiziellen Repräsentanten des O.T.O. in Südafrika ernannte. Zu einem späteren Zeitpunkt im gleichen Jahr verfasste Crowley während eines Aufenthalts in Moskau die Gnostische Messe, „erstellt zum Gebrauch für den O.T.O. als dessen zentrale Zeremonie, die öffentlich wie intern zu zelebrieren ist und der Messe der Römisch-Katholischen Kirche nachempfunden wurde“.

Am 28. Juli 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Crowley zog im Oktober 1914 nach New York; er fand im folgenden Jahr eine Anstellung als Autor für George Sylvester Viereck’s Periodika „The Fatherland“ und „The International“, sowie als leitender Herausgeber der beiden Letzteren. Im Dezember 1914 ernannte Crowley Charles Stansfeld Jones (Parzival, 1886 – 1950) zum Souveränen General Großinspektor VII° und zu Crowleys persönlichem Stellvertreter für die Stadt Vancouver. Windram ernannte im März 1915 Ernest W. T. Dunn VII° (Maximus) zum amtierenden Vizekönig für Australien und den südwestpazifischen Raum.

Trotz der früheren Gegenerklärung zu den Johannis-Graden in seinem Manifesto des MMM∴ fühlte sich Crowley weiterhin unbehaglich im Hinblick auf den freimaurerischen Charakter des O.T.O., und zwar aus mehreren Gründen:

  • Crowley glaubte im Gegensatz zu Reuss, es sei nicht möglich, Frauen in die Freimaurerei einzuweihen; er glaubte jedoch, dass sie sehr wohl zu Eingeweihten des O.T.O. gemacht werden könnten.
  • Er war überaus unzufrieden mit den aufwendigen Vorbereitungen, die notwendig waren, um freimaurerische Riten aufführen zu können, und auch mit ihrem überschwenglichen Wortreichtum. Crowley empfand, dass diese Faktoren eine erfolgreiche Implementierung unter modernen Menschen behinderten.
  • Er glaubte, dass der symbolische Gehalt der freimaurerischen Rituale bis zum Punkte der vollkommenen Wertlosigkeit entstellt worden war.
  • Er hoffte, das System des O.T.O. würde ihm bei der Verbreitung der Lehren von Thelema eine Hilfe sein.

Aus diesen Gründen nahm es Crowley auf sich, die Rituale gründlich zu überarbeiten; sie sollten auf präzise und dramatische Weise die Bedeutung der Johannis- und der Hochgrad-Freimaurerei vermitteln, für die Initiation von Männern wie von Frauen geeignet sein, nicht die gerechten Privilegien der United Grand Lodge of England verletzen und den Kandidaten die grundlegenden Lehren von Thelema nahe bringen. Dies setzte Crowley um das Jahr 1915 herum in die Tat um und setzte die überarbeiteten Rituale in seiner eigenen Sektion des O.T.O., im M∴M∴M∴, ein. Crowley äußerte sich in einem Brief an Arnold Krumm-Heller vom 22. Juni 1930 wie folgt über seine überarbeiteten Rituale:

„Reuss hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, die Leute vermöge von Ritualen bestenfalls skizzenhaften Charakters einzuweihen, die nach dem Vorbild der Rituale der kontinental-europäischen Maurerei zusammen gekritzelt worden waren. Ich will kein Blatt vor den Mund nehmen; die ganze Vorgehensweise wirkte ungeordnet und ließ weder Sinn noch Verstand erkennen. Er war sich dessen sehr wohl gewahr, und dies war einer der Gründe, weshalb er mich bat, das gesamte Initiationssystem zu rekonstruieren.

Ich nahm ein vergleichendes Studium zahlreicher Rituale vor, zu denen ich Zugang hatte, und arbeitete eine Serie aus, die ich bis zum 6. Grad einschließlich (gleichbedeutend mit dem Kadosch) vervollständigte, und diese ist in London mit größtem Erfolg bearbeitet worden.

Ich muß an dieser Stelle innehalten, um darauf hinzuweisen, dass die grundlegende und tiefgreifende Veränderung, die bei allen Ritualen vorgenommen werden muß, mit denen ich in irgendeiner Form zu tun habe, darin besteht, dem Kult der Sklavengötter vollständig zu entsagen. Es ist freien Menschen unmöglich, ein System anzuerkennen, dass an die Fetische von Wilden gebunden ist, deren einziges Handlungsmotiv in der Furcht besteht, die aus ihrem Unwissen geboren wird.“

1915 oder 1916 verfasste Aleister Crowley „Eine Weisung in Bezug auf die Konstitution des Ordens“ (Liber CXCIV), in welcher er die Ideen aufgriff, die in Reusss O.T.O. Konstitution von 1906, Crowleys M∴M∴M∴ Konstitution von 1913, sowie in Crowleys Manifesto enthalten waren. Gérard Encausse verstarb am 25. Okt. 1916. Charles Détré (Téder, 1855 – 1918) trat Encausses Nachfolge an, und auch er scheint den X° des O.T.O. für Frankreich erhalten zu haben; allerdings verstarb er nur zwei Jahre darauf.

1916 zog Reuss in die Schweiz nach Basel. Während er sich dort aufhielt, stiftete er eine „Anationale Großloge und Mystischen Tempel“ des O.T.O. und der Hermetischen Bruderschaft des Lichts auf dem Monte Veritá. Monte Veritá war eine utopistische Kommune in der Nähe von Ascona, die 1900 von Henri Oedenkoven und Ida Hofmann gegründet worden war und als Zentrum für eine Bewegung fungierte, die der Historiker James Webb später als „den Progressiven Untergrund“ beschrieb.

Am 22. Januar 1917 gab Reuss ein Manifest für seine Anationale Großloge heraus, der er den Namen Veritá Mystica gab. Am selben Tage veröffentlichte er eine überarbeitete Fassung seiner O.T.O.-Konstitution von 1906 nebst einer „Synopsis der Grade“ und einer gekürzten Fassung von The Message of the Master Therion (Die Botschaft des Meister Therion) als Anhang. Reuss übernahm in seiner überarbeiteten Fassung viele der Bestimmungen, die in Crowleys M∴M∴M∴-Konstitution von 1913 enthalten waren. Gleichwohl betonte Reuss in diesem Dokument, wie auch in vielen seiner anderen Dokumente zum O.T.O., den maurerischen Charakter des Ordens.

Im Mai 1917 wurde Crowleys Loge in England aufgrund einer Anzeige gegen eines der Mitglieder, das der „Wahrsagerei“ bezichtigt wurde, von der Polizei durchsucht und geschlossen. Allerdings könnte Crowleys Arbeit für Vierecks anti-britische Publikation „The Fatherland“ durchaus den Verdacht der Behörden geweckt haben, dass sich Crowleys Loge unpatriotischen Aktivitäten widmete. Alle Aufzeichnungen der Loge wurden beschlagnahmt. Crowley sah sich gezwungen, das Amt des Großmeisters zeitweise zugunsten von C.S. Jones niederzulegen, um die Lage für die verbleibenden Mitglieder nicht noch mehr zu erschweren. Die Loge hat sich von diesem Schlag nie wieder ganz erholen können.

In Ascona richtete Reuss den „Anational Congress for organising the reconstruction of Society on practical cooperative lines“ (Anationalen Kongress für die Organisation der Wiederherstellung der Gesellschaft nach praktischen und gemeinschaftlichen Richtlinien) aus. Auf diesem Kongress, der vom 15.-25. August 1917 auf dem Monte Veritá abgehalten wurde, fanden unter anderem (am 22. August) Lesungen von Crowleys Gedichten statt, und man rezitierte Crowleys Gnostische Messe (am 24. August – nur für O.T.O. Mitglieder). In der Ankündigung für diesen Kongress stand zu lesen: „Es gibt zwei Zentren des O.T.O., beide in neutralen Ländern, an die jene, die sich für das Ziel dieses Kongresses interessieren, Anfragen richten können. Das Eine befindet sich in New York (U.S. of America), das Andere in Ascona (Italienische Schweiz).“ Crowley lebte zu dieser Zeit in New York; und so waren er und Reuss im Jahre 1917 augenscheinlich die einzigen aktiven nationalen Oberhäupter des O.T.O.

Reuss veranlasste seine Sekretärin „J. Adderley“ (Isabel Adderley Oedenkoven), eine Kopie der Ankündigung nebst einem Exemplar von Crowleys Manifesto des MMM∴ an die United Grand Lodge of England zu schicken, da er hoffte, die Großloge würde einen Repräsentanten entsenden. Dies geschah nicht; doch William Hammond, der Bibliothekar der Großloge, schrieb Reuss nach dem Kongress und bat um weitere Informationen. Im Verlauf des Briefwechsels mit Hammond erinnerte ihn Reuss daran, dass sie sich 1913/14 bereits begegnet waren und er ihm Exemplare der Oriflamme und von Crowleys Equinox übergeben hatte, worin, wie er es ausdrückte, „die Einzelheiten über den O.T.O. enthalten sind“.

Reuss war zweifellos von Thelema beeindruckt. Crowleys Gnostische Messe, die Reuss ins Deutsche übersetzt hatte und die während seines Anationalen Kongresses auf dem Monte Veritá rezitiert worden war, ist ein explizit thelemisches Ritual. In einem undatierten Brief an Crowley (den er 1917 empfing) berichtete Reuss aufgeregt, er habe die Botschaft des Meisters Therion (The Message of the Master Therion) seiner Gruppe auf dem Monte Veritá vorgetragen, und er übersetze „Das Buch des Gesetzes“ ins Deutsche. Er fügte hinzu: „Mögen diese Neuigkeiten Sie ermutigen! Wir leben in Ihrem Werk!!!“

Am 24. Okt. 1917 stellte Reuss Rudolf Laban de Laban-Varalya (1879-1958) und Hans Rudolf Hilfiker-Dunn (1882-1955) eine Stiftungscharter für eine III° Loge des O.T.O. in Zürich aus, die den Namen Libertas et Fraternitas erhielt. Am 3. Nov. 1913 wurde de Laban Großmeister der Anationalen Großloge Veritá Mystica. Noch im gleichen Monat schloss er die Veritá Mystica und verlegte das Zentrum seiner Aktivitäten nach Zürich. Im März 1918 veröffentlichte Crowley die Gnostische Messe in „The International“. Reuss gab seine deutsche Übersetzung der Gnostischen Messe noch im gleichen Jahr heraus.

In einer Anmerkung am Schluss der Übersetzung wird Reuss als Souveräner Patriarch und Primat der Gnostisch Katholischen Kirche und Gnostischer Legat der Église Gnostique Universelle für die Schweiz angeführt; Jean Bricaud (1881-1934) wird als der Souveräne Patriarch dieser Kirche genannt. Die Herausgabe dieses Dokuments kann als die Geburt der Thelemischen E.G.C. als eine unabhängige Organisation unter der Schirmherrschaft des O.T.O. mit Reuss als ihrem ersten Patriarchen betrachtet werden.

Der Erste Weltkrieg endete am 11. Nov. 1918. De Laban verließ die Schweiz im November. Im Feb. 1919 gab die Libertas et Fraternitas Loge ihre Verbindungen zum O.T.O. auf und wurde eine rein Maurerische Loge. Sie erhielt später unter der Schweizer Großloge Alpina den regulären Status. Obgleich es nun in der Schweiz keine O.T.O.- Körperschaften mehr gab, verlieh Reuss einzelnen Personen weiterhin die Grade des O.T.O. Während Reuss nach wie vor auf der maurerischen Autorität des O.T.O. beharrte, entzog Crowley dem MMM zunehmend seiner freimaurerischen Grundlagen. Im Okt. 1918 nahm Crowley eine weitere tief greifende Revision der Eingangsrituale des Ordens vor, wobei er diesmal den Begriff „Maurerei“, sowie die charakteristischen Embleme, Zeichen, Griffe etc. der Johannis-Grade gänzlich fallen ließ. Er stellte Reuss diese revidierten Rituale zum ordensweiten Gebrauch zur Verfügung. Im März 1919 veröffentlichte Crowley The Equinox, Volume III, No. 1 („Blue Equinox“), und dieser Band enthielt eine Vielzahl wichtiger O.T.O. Dokumente; unter anderem diese:

  • Liber LII: The Manifesto of the O.T.O. (Das Manifesto des O.T.O.)
  • Liber CXCIV: An Intimation With Respect to the Constitution of the Order (Eine Weisung in Bezug auf die Konstitution des Ordens)
  • Liber CI: An Open Letter to Those Who May Wish to Join the Order (Ein offener Brief an alle, die dem Orden beizutreten wünschen)
  • Liber CLXI: Concerning the Law of Thelema (Über das Gesetz von Thelema)
  • Eine überarbeitete Fassung von Liber XV: The Gnostic Mass (Die Gnostische Messe).

Crowleys Liber LII: The Manifesto of the O.T.O. entsprach fast wörtlich seinem Manifesto des MMM∴ von 1912. Lediglich thelemische Grußformeln wurden hinzugefügt, Namen erwähnter Offiziere auf den neuesten Stand gebracht, angeführte „Guineas“ durch die entsprechenden Beträge in Dollars ersetzt, zwei Namen beitragender Organisationen wurden entfernt (der Orden der Rosenkreuzer und der Orden der Goldenen Dämmerung); die Gebührentabelle und die Photographien von Boleskine wurden herausgenommen, die Feststellung „… er [der O.T.O.] mißachtet oder verletzt nicht die gerechten Privilegien der United Grand Lodge of England“ wurde nach der Liste beitragender Organisationen eingefügt, und die oben zitierte Gegenerklärung bezüglich der Maurerei wurde wie folgt abgeändert:

Der O.T.O. ist zwar eine Academia Masonica, jedoch keine freimaurerische Körperschaft, insoweit es die ‚Geheimnisse‘ in dem Sinne anbetrifft, in welchem dieser Begriff gewöhnlich verstanden wird; und aus diesem Grunde missachtet oder verletzt er in keinster Weise die gerechten Privilegien der United Grand Lodge of England oder anderen Großloge in Amerika, die von der ersteren anerkannt wird.

Am 10. Mai 1919 stellte Reuss in Zürich Hans Rudolph Hilfiker, Dr. E. Pargaetzi, R. Merlitschek und M. Bergmaier ein Patent für die Stiftung eines Supreme Council des Schottischen Ritus von Cernau für die Schweiz aus. Am gleichen Tage stellte Reuss ein Dokument der „Freundschaftsbekundung“ (Gauge of Amity) für Matthew McBlain Thomson aus, den Begründer der vom Unglück verfolgen „American Masonic Foundation“. Das Dokument erkannte Thomson als O.T.O.-Mitglied des IX° an. Am 18. Sept. 1919 empfing Reuss durch Bricaud die Weihe und ging damit in die „Antioch-Sukzession“ ein; und auch seine Ernennung zum „Gnostischen Legat“ der Église Gnostique Universelle Bricauds für die Schweiz wurde erneuert.

Crowley kehrte im Dezember 1919 nach England zurück. 1920 veröffentlichte Reuss seine Schrift Aufbauprogramm und Leitsätze der gnostischen Neo-Christen: O.T.O. In diesem Dokument stellte Reuss seine Ideen im Hinblick auf eine (stark reglementierte) utopistische Gesellschaft vor. Die Prinzipien dieser Gesellschaft sollten auf thelemischen Vorstellungen beruhen (Das Buch des Gesetzes und Aphorismen von Meister Therion werden zitiert und erläutert); hinzu kommen traditionelleres Gedankengut aus dem Rosenkreuzertum, der Gnosis und dem Yoga, sowie die „progressiven“ sozial-politischen Ideen, die auf dem Monte Veritá vorherrschten.

Charles Stansfield Jones
Charles Stansfield Jones

Am 17. Juli 1920 nahm Reuss am Kongress der „World Federation of Universal Freemasonry“ teil, der in der Libertas et Fraternitas Loge in Zürich abgehalten wurde. Diese Konferenz sollte die Arbeit der Internationalen Konferenz über Freimaurerei und Spiritismus fortsetzen, die Papus 1908 in Paris abgehalten hatte. Reuss setzte sich mit Bricauds Autorisation für die Anerkennung von Crowleys Gnostischer Messe als „offizielle Religion für alle Mitglieder der Weltföderation der Universalen Freimaurerei im Besitz des 18° des Schottischen Ritus“ ein. Reuss Bemühungen in dieser Hinsicht erwiesen sich als Fehlschlag, und er stritt sich mit Matthew McBlain Thomson (der zum Ehrenvorsitzenden der Internationalen Maurerischen Föderation ernannt worden war) über Fragen der Jurisdiktion. Reuss verließ den Kongress nach dem ersten Tag.

C.S. Jones war 1919 aus dem O.T.O. ausgetreten, hatte aber seinen brieflichen Kontakt zu Reuss aufrechterhalten; und am 10. Mai 1921 stellte Reuss Jones eine Charter als X° für die „Vereinigten Staaten von Nord-Amerika“ aus. Am selben Tage erstellte er eine weitere Charter für Heinrich Tränker (Recnartus, 1880-1956), die ihn zum X° für Deutschland ernannte. Tränker leitete bereits verschiedene esoterische Organisationen innerhalb der „Pansophia“-Bewegung.

Am 30. Juli 1921 verfasste Reuss ein weiteres „Gauge of Amity“-Dokument aus, und zwar für H. Spencer Lewis, den Begründer des A.M.O.R.C., einer Rosenkreuzerischen Organisation, die ihren Sitz im kalifornischen San Jose hatte. Dieses Dokument erkannte Lewis überdies als ein VII° Mitglied des O.T.O. an. Crowley war Lewis bereits 1918 in New York begegnet und hatte keinen sonderlich guten Eindruck von ihm gewonnen. Reuss kehrte im September 1921 nach Deutschland zurück und ließ sich in München nieder. Am 3. Sept. 1921 stellte Reuss eine Charter für Carl William Hansen (Kadosh, 1872-1936) als X° für Dänemark aus. Im Oktober 1921 ernannte Crowley nach Dunns Rücktritt Frank Bennett (Dionysus, 1868-1930) zu seinem Vizekönig von Australien:

Crowleys Sukzession

Es spricht einiges dafür, dass Reuss im Frühjahr 1920 einen Schlaganfall erlitten hatte, aber dies gilt nicht als gesichert. Crowley schrieb im März an W.T. Smith:

Der nun hingeschiedene O.H.O. machte sich seit seinem ersten, von Lähmungserscheinungen begleiteten Schlaganfall große Sorgen um die Weiterführung der Arbeit … Er stellte übereilt Ehrendiplome des Siebten Grades für verschiedene Leute aus; einige von diesen wiesen keinerlei entsprechende Qualifikation auf, andere hingegen waren bloß gewöhnliche Gauner.

Kurz nach Frank Bennetts Ernennung zum Vizekönig von Australien scheint Crowley mit ihm korrespondiert und seine Zweifel im Hinblick auf Reuss Fähigkeit, den Orden auch weiterhin auf angemessene Weise leiten zu können, angesprochen zu haben. Reuss hat diesen Briefwechsel möglicherweise entdeckt; er schrieb Crowley am 9. Nov. 1921 eine verärgerte und defensive Antwort, in welcher er sich und den O.T.O. von Thelema zu distanzieren schien, wofür er sich, wie zuvor dargestellt, urprünglich eingesetzt hatte. Crowley schrieb am 23. Nov. 1921 zurück und konstatierte in seinem Brief: „Es ist mein Wille, O.H.O. und Frater Superior des Ordens zu werden, und ich nehme Ihre Abdankung zum Anlaß – mich zum selben zu ernennen“. Er unterzeichnete den Brief als „Baphomet O.H.O.“. Crowley schrieb am 27. Nov. 1921 in sein Tagebuch: „Ich habe mich selbst zum O.H.O. Frater Superior des Ordens der Orientalischen Templer ernannt“. Reuss starb am 28. Okt. 1923 e.v.

Crowley berichtet in seinen Bekenntnissen, dass Reuss „das Amt [des O.H.O.] 1922 zu meinen Gunsten niederlegte“. In einem Brief an Heinrich Tränker vom 14. Feb. 1925 stellt Crowley fest:

Reuss war überaus stimmungsabhängig und in vielerlei Hinsicht unverläßlich. In seinen letzten Jahren scheint er nicht länger Herr seiner selbst gewesen zu sein; er ging sogar so weit, „Das Buch des Gesetzes“ kommunistischer Neigungen zu bezichtigen, und eine absurdere Behauptung kann man sich kaum vorstellen. Er kann gleichwohl der rechten Führung nicht gänzlich verlustig gegangen sein, wenn man in Betracht zieht, dass er Ihre und Frater Achads Ernennung vornahm und mich in seinem letzten Brief zu seinem Nachfolger bestimmte.

In einem Brief an Charles Stansfeld Jones, datiert Sonne im Steinbock, Anno XX (Dez. 1924 – Jan. 1925), merkte Crowley an: „der O.H.O. bat mich in seinem letzten Brief, sein Nachfolger als O.H.O. und Frater Superior zu werden“. Reuss Brief, der Crowley zu seinem Nachfolger als O.H.O. berief, ist nie gefunden worden. Es ist jedoch auch kein anderes glaubwürdiges Dokument zu Tage getreten, dem man entnehmen könnte, dass Reuss irgendeinen anderen Nachfolger benannt hätte.

Der O.T.O. unter Crowley

Aleister Crowley diente dem Orden als „Outer Head“ von 1922 bis zu seinem Tode im Dezember 1947. Crowleys erste Handlung als O.H.O. bestand darin, die Chartern von Jones und Tränker als Großmeister von Nord-Amerika beziehungsweise Deutschland zu bestätigen. Tränker bat Crowley auf Anraten von Jones anlässlich einer Konferenz, die in Hohenleuben bei Weida abgehalten werden sollte, offiziell die Leitung des O.T.O. wie auch der verschiedenen Organisationen der Pansophischen Bewegungen zu übernehmen. An dieser Konferenz nahmen außerdem Heinrich und Helene Tränker, Karl Germer (Saturnus, 22. Jan. 1885 – 25. Okt. 1962), zu dieser Zeit Tränkers Sekretär und Verleger), Albin Grau, Eugen Grosche, Martha Küntzel, Henri Birven, ein Gentleman namens Hopfer, Crowley, Crowleys Weggefährten Dorothy Olsen, Leah Hirsig, Norman Mudd und andere teil.

Die Ergebnisse der Konferenz waren gemischter Art. Die Teilnehmer waren gespaltener Ansicht über Crowleys Lehren und Das Buch des Gesetzes, dessen Existenz den meisten bis dahin verborgen geblieben war (es war erst kurz zuvor ins Deutsche übersetzt worden). Es gab überdies Persönlichkeitskonflikte. Fräulein Küntzel und Herr Germer stellten sich auf Crowleys Seite. Die Herren Tränker, Grau, Hopfer und Birven beschlossen, die Pansophische Loge und Crowley getrennt zu halten. Herr Grosche sympathisierte zuerst mit Crowley, doch er und Germer gerieten aneinander, und Grosche beschloß, unabhängig zu bleiben. Nach der Schließung der Pansophischen Loge im Jahr 1926 tat sich Grosche mit einigen ex-Pansophisten zusammen und gründete die Fraternitas Saturni. Die Fraternitas Saturni erkannte Crowleys Status als Prophet an und akzeptierte das Gesetz von Thelema in modifizierter Form; dessen ungeachtet bestand Grosche auf der Unabhängigkeit der Fraternitas vom O.T.O. und seiner eigenen Autorität anstelle der von Crowley. Die Fraternitas Saturni hat bis zum heutigen Tage in Deutschland, Kanada und anderen Ortes fortbestanden und stellt sich selbst nicht als O.T.O. dar.

Tränker hat 1925 allem Anschein nach versucht, den Titel O.H.O. des O.T.O. für sich selbst zu beanspruchen, doch er fand als solcher wohl keine große Anerkennung; jedenfalls gab er seine Bemühungen in dieser Richtung 1930 auf, als er und H. Spencer Lewis (gleichwohl erfolglos) zusammenzuarbeiten begannen, um einen deutschen Zweig des A.M.O.R.C. zu begründen.

Die Agapé Loge

W.T. Smith
W.T. Smith

Die Agapé Loge Nr. 1 war 1915 unter der Leitung von Jones und Crowley in Vancouver, B.C., Kanada gegründet worden. In den dreißiger Jahren verließ Wilfred Talbot Smith (1885-1957), ein Gründungsmitglied der Agapé Loge Nr. 1, auf Anweisung Crowleys Vancouver, um gemeinsam mit Jane Wolfe (1875-1958), einer Studentin Crowleys auf Cefalu, die Agapé Loge Nr. 2 im kalifornischen Los Angeles zu gründen. Smith und Wolfe sammelten in Hollywood, Kalifornien, eine Gruppe um sich und begannen am Sonntag, dem 19. März 1933, zusammen mit Regina Kahl (1891-1945) die Gnostische Messe in wöchentlichem Rhythmus zu zelebrieren. Die Agapé Loge Nr. 2 hielt 1935 ihre erste Zusammenkunft ab. Die Loge unterstützte Crowley bei seinen verlegerischen Unternehmungen, und Crowley ernannte Smith (Ramaka) zum X° für die USA. Die Agapé Loge Nr. 2 wurde später nach Pasadena, Kalifornien, verlegt; als Oberhaupt wurde John W. „Jack“ Parsons (Belarion, 1914-1952) eingesetzt, ein bekannter Ingenieur auf dem Gebiet der Chemie und Weltraumpionier. Parsons war sowohl an der Gründung des California Institute of Technology’s Jet Propulsion Laboratory als auch der Aerojet General maßgeblich beteiligt.

Karl Germer

Karl und Sascha Germer
Karl und Sascha Germer

Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde die internationale Kommunikation immer häufiger unterbrochen, und ziviles Reisen war nur eingeschränkt möglich. Crowley musste sich zunehmend auf seine Stellvertreter im Ausland stützen, da er selbst nicht länger auf Reisen gehen konnte. Karl Germer, Crowleys deutscher Stellvertreter, wurde unter der Anklage, „für den im Ausland lebenden Hochgradfreimaurer Aleister Crowley Anhänger zu werben“, von der Gestapo verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht. Der Krieg hatte noch nicht lange begonnen, als er dank der Bemühungen des amerikanischen Konsuls wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Germer reiste schließlich in die USA aus, wo er als General-Großschatzmeister und Crowleys amtierende rechte Hand die Geschäfte des O.T.O. größtenteils allein führte. Am 14. März 1942 schrieb Crowley an Germer: „Ich werde Dich zu meinem Nachfolger als O.H.O. ernennen … eine grundlegende Veränderung in der Struktur des Ordens und seiner Methoden ist vonnöten. Das Geheimnis bildet die Grundlage, und Du mußt Dir die richtigen Leute suchen.“ Die anderen europäischen Zweige des O.T.O. wurden im Verlauf des Krieges größtenteils zerschlagen oder in den Untergrund getrieben. Die lateinamerikanischen Zweige von Krumm-Hellers F.R.A. hielten einen losen Kontakt mit Germer bis in die frühen sechziger Jahre aufrecht.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1945 war nur noch die Agapé Loge in Pasadena, Kalifornien, aktiv. Es gab vereinzelte O.T.O.-Mitglieder in verschiedenen Teilen der Welt. Obgleich O.T.O.-Mitglieder Crowley in England besuchten, war dort seit der Polizei-Razzia im Jahr 1919 keine Logenarbeit mehr durchgeführt worden. Initiationen außerhalb Kaliforniens fanden nur sehr selten statt. Krumm-Heller führte in Mexiko zwar keine O.T.O. Initiationen durch, entsandte aber einen Kandidaten, Gabriel Montenegro (Frater Zopiron oder Theophilos), nach Kalifornien, damit dieser sich dort einweihen lassen konnte.

Grady McMurtry

Grady McMurtry
Grady McMurtry

Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs reisten zwei kalifornische O.T.O.-Mitglieder, Grady Louis McMurtry (18 Okt. 1918 – 12. Juli 1985) und Frederick Mellinger (Merlinus, 1890-1970) (Mellinger ist ursprünglich ein Flüchtling aus Nazi-Deutschland gewesen) im Auftrag des Militärs nach Europa. McMurtry trat seine Reise als erster an und besuchte Crowley vor seiner Rückkehr mehrere Male. Mellinger suchte Crowley auf, nachdem McMurtry in die Vereinigten Staaten zurückgerufen worden war.

Zwischen Crowley und McMurtry herrschte ein gutes Einvernehmen, und Crowley achtete McMurtrys militärische Erfahrung. 1943 verlieh Crowley McMurtry persönlich den IX° des O.T.O. und ernannte ihn zum Souveränen General-Großinspektor des Ordens; er gab ihm überdies den Magischen Namen, den er fortan verwenden sollte, Hymenaeus Alpha, 777.

1944 begann Crowley, mit McMurtry die Möglichkeit, das „Kaliphat“ zu übernehmen, zu erörtern. Crowley schrieb am 28. Sept. 1944 an McMurtry: „Ich hoffe, Du wirst meine Pläne für Deinen weiteren Werdegang als mein Fides Achates, alter ego, Kaliph & so weiter, ernsthaft in Erwägung ziehen.“ Am 21. Nov. 1944 schrieb er nochmals an McMurtry:

‚Das Kaliphat’. Du mußt Dir bewußt machen, dass ich, gleich wie sehr sich unsere Sichtweise aller objektiven Belange auch gleichen mag, in Fragen des Ordens von gänzlich anderen Prämissen ausgehen muß. Eine der (verblüffend wenigen) Anweisungen, die ich je erhalten habe, lautete wie folgt: ‚Vertraue keinem Fremden: Sorge für einen Erben‘. Hier hat sich mir der Teufel in Person gezeigt. Fr. [Saturnus] ist ohne Frage der natürliche Kaliph; aber es gibt viele Einzelheiten bezüglich der zu verfolgenden Grundsätze oder der Arbeit, die genau dort angesiedelt sind, wo sich sein blinder Fleck befindet. Er kann in jedem Falle schon aufgrund seines Alters nur ein Übergangskandidat sein; ich muß nach seinem Nachfolger Ausschau halten. Es ist die Hölle gewesen; so viele erstaunlich Vielversprechende sind dahergekommen, nur um auf felsigem Grund zu stranden. … Aber – nun folgt mein Punkt, den Du ganz und gar nicht verstanden hast – meine Vorstellung von Dir ist nicht die, dass Du auf einem saftig-grünen Hügel nebst einer Herde süßer, lieblicher, wolliger Schafe liegst, die nach Deiner Flöte tanzen! Ganz im Gegenteil. Dein tatsächliches Leben, oder ‚Bluten‘, ist die Art von Initiation, von der ich meine, dass sie die wichtigste Grundvoraussetzung für einen Kaliphen darstellt. Denn denken wir einmal vielleicht zwanzig Jahre voraus; ein Outer Head of the Order muß auch dann unter anderem die Erfahrung des Krieges gemacht haben, so wie wir ihn heute tatsächlich erleben.

Der Titel „Kaliph“, mag zwar beider Männer Sinn für Humor angesprochen haben, da er auch ein Wortspiel mit der Abkürzung für Kalifornien (Calif.) erlaubt (der Staat, in dem sich McMurtrys Wohnsitz und auch die Agapé Loge befand). Das eigentliche Wort Khalifa entstammt jedoch dem Arabischen und bedeutet „Nachfolger“ oder „Stellvertreter“. Dieser Titel bezeichnete im frühen Islam den Nachfolger des Propheten, das weltweite Oberhaupt der Moslimen. Crowley verwendete diesen Begriff, der im O.T.O. eben diese Bedeutung hatte, sowohl für Germer als auch McMurtry.

1946 vertraute Crowley McMurtry Dokumente für eine Notfallautorisation an, die ihn dazu bevollmächtigten, die Verantwortung für die gesamte Arbeit des Ordens in Kalifornien, worin die damals einzige aktive O.T.O.-Körperschaft eingeschlossen war, zu übernehmen. Crowley ernannte McMurtry zusätzlich zu seinem persönlichen Stellvertreter in den USA, und in dieser Funktion sollte seine Autorität der von Crowley gleichgestellt sein. Diese beiden Chartern, die auf den 22. März 1946 beziehungsweise 11. April 1946 datiert sind, waren lediglich von Karl Germers Zustimmung, Veto oder Revision abhängig. Germer wußte von Crowleys Chartern für McMurtry, denn er hatte ja an der Zusammenkunft der Agapé Loge teilgenommen, auf der sie von McMurtry präsentiert worden waren. Crowley informierte Germer überdies in einem Schreiben vom 19. Juni 1946, dass „die einzige Einschränkung seiner [McMurtrys] Vollmachten darin besteht, dass jede Entscheidung, die er trifft, von einer Revision oder einem Veto Deinerseits abhängig ist“, womit er auf die Bedingung einer vorherigen Zustimmung durch Germer verzichtete.

Am 6. Juni 1947 schrieb Crowley an Germer:

Du scheinst auch Zweifel im Hinblick auf die Nachfolgefrage zu hegen. Sie wurde nie in Frage gestellt. Seitdem Du wieder unter uns weilst, bist Du der einzige Nachfolger, den ich seit dem nämlichen Augenblick im Sinn gehabt habe. Mir ist jedoch angesichts der Tatsache, dass so viele Mitglieder in alle Winde zerstreut wurden, der Gedanke gekommen, dass Du es nützlich finden könntest, ein Triumvirat zu ernennen, das unter Dir arbeitet. Ich habe mir da Mellinger, McMurtry und wohl Roy [Leffingwell] vorgestellt, obgleich ich die Vertrauenswürdigkeit des Letzteren stets etwas bezweifelt habe.

Sechs Monate vor seinem Tode schrieb Crowley an McMurtry und setzte ihn am 17. Juni 1947 darüber in Kenntnis, dass Germer zwar der Nachfolger Crowleys als Oberhaupt des O.T.O. werden sollte, McMurtry sich jedoch bereit halten sollte, Germers Nachfolge anzutreten.

Crowley vertraute zwar Karl Germers Fähigkeit, den Orden als sein Nachfolger zu leiten, offenkundig jedoch nicht Germers Fähigkeit, einen angemessenen Nachfolger für sich selbst zu finden und zu ernennen. Augenscheinlich als zusätzlicher Ausweichplan für den Fall gedacht, dass McMurtry selbst verstarb oder sich eine behindernde Verletzung zuzog, wies Crowley in einem Brief vom 15. Juli 1947 auch Mellinger an, sich als möglicher Nachfolger Germers bereit zu halten. Mellinger wurden jedoch keinerlei Vollmachten der Art übertragen, wie McMurtry sie empfangen hatte, und Crowley verwendete im Zusammenhang mit Mellinger auch nie den Begriff „Kaliph“.

Der O.T.O. unter Germer

Crowley starb am 1. Dez. 1947, und Karl Germer wurde in Übereinstimmung mit seinen Wünschen O.H.O. des O.T.O., dem er von Ende 1947 bis zu einem Tode im Jahr 1962 diente. Die Agapé Loge im südlichen Kalifornien war bis 1949 aktiv, nach welchem Jahr die Loge keine regelmäßigen Zusammenkünfte mehr abhielt. Die Aufzeichnungen der Agapé Loge, die Sitzungsprotokolle, mit Anmerkungen versehene Kopien der Rituale, Listen der Mitglieder und ihrer jeweiligen Grade im O.T.O., Korrespondenz und Finanzberichte enthalten, wurden von Jane Wolfe und anderen Logenmitgliedern aufbewahrt.

Crowleys Testament wurde nach seinem Ableben notariell eröffnet, und die Nachlaßverwalter begannen, Crowleys Hinterlassenschaften zu Germer zu verschiffen. Germer erhielt den größten Teil der Materialien, die sich auf Crowleys Anwesen befunden hatten. Diese Materialien bewahrte er in seinem letzten Heim in Westpoint, Calaveras County, Kalifornien, auf.

Germer war ein stiller und zurückgezogener Mann, und es ging ihm hauptsächlich darum, Crowleys Schriften zu veröffentlichen. Verschiedene Mitglieder des O.T.O. halfen ihm dabei. Die bereits Initiierten konnten zwar im Orden fortschreiten, doch neue Mitglieder wurden nicht initiiert. Germer informierte McMurtry und andere, dass der O.T.O. als Gesellschaft eingetragen und von einem aus Offizieren bestehenden Triumvirat geleitet werden sollte, doch die Eintragung wurde unter Germers Leitung des O.T.O. nie zu Ende geführt. Germer stellte dem Ordensmitglied Kenneth Grant, der den III° innehatte, eine Charter für ein Camp in England aus, doch am 20. Juli 1955 schloss er das Camp und beendete Grants Mitgliedschaft im O.T.O., als er erfuhr, dass Grant sich Grosches Fraternitas Saturni angeschlossen, ein Manifesto für eine neue Loge des O.T.O. unter der gemeinsamen Schirmherrschaft Germers und Grosches in Umlauf gebracht, sowie begonnen hatte, die Rituale des O.T.O. umzuschreiben, und zwar alles, ohne Germer davon in Kenntnis zu setzen.

Germer interessierte sich auch für die Unternehmungen von Hermann Metzger (Paragranus, 1919-1990) in der Schweiz. Metzger war Schüler eines noch lebenden Mitglieds von Reuss Schweizer Sektion des O.T.O. namens Felix Lazerus Pinkus (1881-1947) und hatte selbst keine direkte Verbindung zu Crowleys O.T.O. Germer erteilte Mellinger den Auftrag, Metzgers regularisierende Eingliederung in Crowleys O.T.O. zu überwachen, doch Germer und Metzger waren sich gegen Germers Lebensende zunehmend uneinig. Frederick Mellinger schrieb nach Germers Tod, dass es Metzger nicht gelungen war, Germers Programm mit Instruktionen, das Metzger unter Mellingers Aufsicht ausführen sollte, umzusetzen. Einer Quelle zufolge will Metzger eine Charter für Gabriel Montenegro als X° für die Vereinigten Staaten ausgestellt haben. Montenegro hat eine derartige Vollmacht jedoch weder zu irgendeinem Zeitpunkt beansprucht, noch jemals seinen amerikanischen O.T.O.-Kollegen gegenüber eine solche Ernennung im Rahmen des O.T.O. durch Metzger erwähnt.

Die kalifornischen Mitglieder des O.T.O. versuchten, Germer mit aller Kraft dahingehend zu beeinflussen, dass er den O.T.O. wieder allgemein zugänglich machte. In Briefen kam die Sorge zum Ausdruck, dass, wenn man es weiterhin unterließe, neue O.T.O.-Mitglieder einzuweihen, dies schließlich das Ende des O.T.O. herbeiführen würde. 1959 berief McMurtry eine Versammlung in Los Angeles ein, zu der Mitglieder der Agapé Loge und andere eingeladen worden waren und die dem Ziel dienen sollte, eine vereinte Front zu schaffen, die Karl Germer überzeugen sollte, die O.T.O.-Initiationen wieder aufzunehmen. McMurtry war bereit, seine Vollmachten von Crowley einzusetzen, um diesem Ansinnen Nachdruck zu verleihen. Dr. Montenegro widersetzte sich diesem Plan, und die Anderen unterstützten ihn nicht stark genug; die Idee wurde fallen gelassen. Montenegro schrieb am 21. Nov. 1960 einen Brief an McMurtry, um seinem Einspruch auch in schriftlicher Form Ausdruck zu verleihen.

Germer autorisierte McMurtry, ein Zentrum für eine neue allgemeine Öffnung des O.T.O. zu schaffen, doch Germer und McMurtry gerieten über ein persönliches Darlehen und andere Dinge an einander. Welche Differenzen sie auch gehabt haben mögen, es gibt nicht den kleinsten Hinweis, dass Germer auch nur in Erwägung gezogen hätte, McMurtry die von Crowley erhaltenen Chartern zu entziehen oder zu revidieren. McMurtry verlor seine Arbeit in Kalifornien aufgrund gesundheitlicher Probleme und zog im März 1961 nach Washington, D.C. Hier lehrte er politische Wissenschaft an der George Washington University und arbeitete als Management Analytiker für die U.S. Regierung. Er stand überdies der Washington Shakespeare Society vor.

Interregnum

Germer starb am 25. Okt. 1962, ohne einen Nachfolger benannt zu haben. In seinem Testament hatte Germer seine Frau Sascha und Frederick Mellinger als Nachlaßverwalter seines Anwesens und in Sachen des Eigentums, das er für den O.T.O. verwahrt hatte, eingesetzt. Sascha war eine ältere Dame und nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, und sie brach die Beziehungen zu den überlebenden O.T.O.-Mitgliedern in Kalifornien ab. Germers Testament wurde nie notariell eröffnet. Einige der ranghohen Offiziere einschließlich Grady McMurtry wurden mehrere Jahre lang überhaupt nicht über Germers Tod informiert, wodurch sich eine lange Verzögerung ergab, bevor die Frage der Nachfolge in Bezug auf die Leitung des O.T.O. überhaupt auf angemessene Weise zur Sprache kommen konnte.

In einer in der Schweiz erschienenen Schrift beanspruchte Metzger das Amt des Outer Head of the Order für sich selbst; er berief sich hierbei in seiner Darstellung auf eine nicht öffentliche Wahl, die am 6. Jan. 1963 in der Schweiz abgehalten worden sein soll. Die nicht in der Schweiz lebenden hochrangigen O.T.O.-Mitglieder einschließlich Frederick Mellinger, den Germer als Metzgers Mentor eingesetzt hatte, wurden bezüglich Metzgers angeblicher Wahl gewissermaßen vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne davon zuvor in irgendeiner Weise in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Eine Kopie von Metzgers Manifesto wurde an Wilfred Smith geschickt, der ja bereits seit 1957 gar nicht mehr am Leben war. Metzger blieb die allgemeine Anerkennung als Oberhaupt des Ordens über seine eigene Gruppe hinaus versagt. Sascha unternahm einen halbherzigen Versuch, die O.T.O.-Materialien aus Germers Besitz an Metzger zu versenden, doch Mellinger verhinderte dies mit einem Brief vom 25. Sept. 1963, der Metzger der Betrügerei bezichtigte. Metzger machte später sein System des O.T.O. zu einem Bestandteil einer neuen, von ihm selbst begründeten Organisation, die den Namen „Ordo Illuminatorum“ erhielt und als wiederbelebter Illuminaten-Orden dargestellt wurde. Metzger starb 1990.

Auch Kenneth Grant (geb. 1924) beanspruchte für sich selbst den Titel des Outer Head of the Order, obgleich Germer ihn bereits zu einem früheren Zeitpunkt seiner Mitgliedschaft enthoben hatte. Herr Grant bestreitet diesen Verlust seiner Mitgliedschaft, indem er behauptet, er habe Karl Germer ohnehin nie als Oberhaupt des O.T.O. anerkannt. Dennoch verweisen Grants eigene Schriften aus den Fünfzigern, insbesondere sein Manifesto der New Isis Lodge, auf Frater S (Saturnus, d.h. Karl Germer) als das Internationale Oberhaupt des O.T.O. Grants Organisation beteuert, der O.T.O. sei nicht länger eine Mitgliedsgesellschaft im traditionellen Sinne, und es gäbe keine Logen und auch keine zeremoniellen Initiationen mehr. Grants Organisation übergeht ferner auch die Gnostische Messe, die nach Crowley „die zentrale Zeremonie [des O.T.O.] zur öffentlichen wie internen feierlichen Aufführung“ darstellt.

Der O.T.O. unter McMurtry

Als McMurtry auf den kritischen Zustand des Ordens aufmerksam wurde, in den der Orden nach Germers Tod gefallen war, sah er sich genötigt, sich auf seine Dokumente der Notfallautorisation durch Crowley zu berufen und den Titel „Kaliph des O.T.O.“ anzunehmen, ganz wie Crowley dies McMurtry in den Vierziger Jahren brieflich aufgetragen hatte. Er hielt es für angebracht, sich dies von zwei Zeugen bestätigen zu lassen, und seine diesbezügliche Wahl fiel auf Dr. Israel Regardie (1907-1985) und Gerald Yorke (1901-1983). Diese beiden zählten unter den noch lebenden Schülern Crowleys zu den bekanntesten, und McMurtry bezeichnete die zwei als die „Augen des Horus“. Er informierte sie über seine Pläne, den O.T.O. unter Verwendung der brieflichen Chartern Crowleys zu rekonstituieren und bat sie um ihre Unterstützung, die ihm auch zugesichert wurde. McMurtry vervollständigte die Aktivierung seines Kaliphats im Juni 1969 mit einem Brief an den in der Schweiz befindlichen Hermann Metzger.

Nach der Aktivierung des Kaliphats wurden alle O.T.O.-Mitglieder aus Germers und Crowleys Zeit, die noch am Leben waren, dazu eingeladen, sich McMurtry anzuschließen, damit der reguläre Betrieb des O.T.O. wieder aufgenommen werden konnte. Zu dieser Zeit gab es in den Vereinigten Staaten nicht einmal mehr ein Dutzend älterer O.T.O.-Mitglieder. Soror Meral, Soror Grimaud, Mildred Burlingame und Gabriel Montenegro signalisierten ihr Einverständnis, den O.T.O. der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ray Burlingame war bereits einige Jahre zuvor verstorben, und Dr. Montenegro segnete am 14. Juli 1969 das Zeitliche, noch bevor eine organisatorische Versammlung abgehalten werden konnte. Frederick Mellinger hatte seine Verbindungen zur Theosophischen Gesellschaft wieder aufgenommen und war seit etwa 1956 nicht mehr aktiv am O.T.O. beteiligt. Die einzige Ausnahme hiervon bildete der Brief, mittels dessen er eine Vollstreckung von Germers Testament zugunsten von Metzger verhindert hatte. Mellinger starb am 29. August 1970. In den Jahren 1969 und 1970 begannen McMurtry, Burlingame und die Sorores Meral und Grimaud, Initiationen durchzuführen. Am 28. Dez. 1970 wurde die Ordo Templi Orientis Association als Verein im Bundesstaat Kalifornien eingetragen, damit der O.T.O. den Status einer Person öffentlichen Rechts erhielt.

Sascha Germer verstarb im April 1975, und als ihr Tod 1976 bekannt wurde, erwirkte die O.T.O. Association unter McMurtry einen Gerichtsbeschluß, der besagte, dass die verbleibenden Archive des O.T.O., die sie gehütet hatte, dem Orden zugestellt werden sollten. Dieser Gerichtsbeschluß, der Grady McMurtry als den mit entsprechender Vollmacht ausgestatteten Repräsentanten des O.T.O. anerkannte, wurde am 27. Juli 1976 vom Superior Court in Calaveras County, Kalifornien, gefällt und vollstreckt.

Unter McMurtry als dem Kaliphen oder amtierenden Oberhaupt des O.T.O. wurden verschiedene Versuche unternommen, neue Mitglieder für den O.T.O. zu gewinnen und die Öffentlichkeit auf den Orden aufmerksam zu machen. 1970 gab der O.T.O. unter seiner Dubliner Adresse Crowleys Thoth Tarot Karten heraus, die von Lady Frieda Harris illustriert worden waren. Die Resonanz hielt sich zunächst in Grenzen, aber es wurden dank der Bemühungen, die vom in Dublin, Kalifornien angesiedelten College of Thelema und dem Kaaba Clerk House in San Francisco ausgingen, einige neue Mitglieder initiiert. Die Aktivitäten in San Francisco hielten nicht allzu lange an, und ein neues Mitglied trat wieder aus. In Dublin wurde die Arbeit zwei Jahre lang fortgesetzt; anschließend verlagerte sich das Zentrum der Aktivität nach Berkeley, Kalifornien.

1977 hielt McMurtry O.T.O.-Initiationen in seinem Haus in Berkeley, Kalifornien, ab und begann mit dem Aufbau einer Gruppe. Der O.T.O. wurde am 26. März 1979 e.v. entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des Staates Kalifornien als Gesellschaft eingetragen. Jene, die eine schriftliche Bestätigung ihrer Mitgliedschaft im O.T.O. geschickt hatten oder von denen man wusste, dass sie Mitglieder aus früherer Zeit waren, wurden über die Eintragung als Gesellschaft informiert, und sie konnten innerhalb eines gewissen Zeitraums ein Gesuch für die Verlängerung ihrer Mitgliedschaft einreichen; den Präzedenzfall für ein solches Vorgehen hatte Karl Germer zuvor geschaffen. Der Gesellschaft wurde 1982 unter dem IRS Code 501(c)3 der Status einer von der Steuer befreiten Religionsgemeinschaft zuerkannt.

Die Herausforderung vor Gericht

Marcelo Ramos Motta (1931 – 1987) ließ nichts unversucht, um unter dem Namen „Society Ordo Templi Orientis“ die Kontrolle über den O.T.O. zu erlangen. Herr Motta war einige Jahre lang persönlicher A∴A∴ – Schüler Karl Germer’s gewesen, aber er hatte nie eine offizielle Charter erhalten, die ihn dazu berechtigt hätte, Initiationen durchzuführen oder eine Loge zu leiten. Er hatte tatsächlich noch nicht einmal eine formale Einweihung in den O.T.O. erhalten. Nach Germers Tod stellte Motta die Behauptung auf, er sei Germer’s Nachfolger und gründete in seinem Geburtsland Brasilien eine O.T.O.-Gruppe. Motta erkannte zunächst Kenneth Grant als Oberhaupt des O.T.O. an, widerrief aber seine Anerkennung, als er erfuhr, dass Grant von Germer ausgeschlossen worden war. Motta reiste schließlich in die Vereinigten Staaten, um die Urheberrechte an Crowleys Werken für sich zu beanspruchen. Er verklagte als erstes den Verlag Samuel Weiser, Inc., der viele von Crowleys Werken veröffentlicht hatte und den er Urheberrechts- und Markenrechtsverletzungen bezichtigte, denn er bestand auch weiterhin darauf, der einzige Repräsentant des Crowley’schen O.T.O. zu sein. Dieser Fall wurde vom U.S. District Court in Maine zugunsten von Weiser entschieden. Der Richter befand, dass Mottas Darlegungen bezüglich des O.T.O. jeder Rechtsgrundlage entbehrten. Der O.T.O. unter McMurtry war an diesem Prozess nicht beteiligt und wurde im Urteil auch nicht erwähnt.

Während die Gerichtsverhandlung in Maine noch im Gange war, strengte der O.T.O. unter McMurtry ein Gerichtsverfahren gegen Motta an, das vor dem 9th Federal District Court in San Francisco verhandelt werden sollte. Das Verfahren in San Francisco wurde 1985 abgeschlossen, und Motta verlor ein weiteres Mal. Der O.T.O. unter McMurtry fand hiermit die gerichtliche Anerkennung als der fortbestehende O.T.O. des Aleister Crowley und als alleiniger Eigentümer der Titel, Warenzeichen und anderer Aktivposten. McMurtry wurde für das rechtmäßige Oberhaupt des O.T.O. in den Vereinigten Staaten befunden. Die Entscheidung des 9th District befand zudem, dass es sich bei dem O.T.O. unter McMurtry um eine gesetzlich anerkannte, auf Mitgliedschaft beruhende Körperschaft handelte. Gegen diese Entscheidung wurde Widerspruch eingelegt. Grady McMurtry starb am 12. Juli 1985 kurze Zeit nach der ersten Entscheidung des 9th District Court, doch letzere wurde in der Revisionsverhandlung bestätigt, so dass der O.T.O. als Gesellschaft unangefochten blieb.

Der O.T.O. heute

Statt seinen eigenen Nachfolger zu benennen, wünschte McMurtry, dass sein Nachfolger nach seinem Tode durch eine Wahl ermittelt werde, die das Souveräne Sanktuarium des O.T.O. abhalten sollte. Diese Wahl, an der auch die zwei noch lebenden Mitglieder der Agapé Loge teilnahmen, fand am 21. Sept. 1985 statt, und Frater Hymenaeus Beta wurde als Nachfolger von Frater Hymenaeus Alpha zum Kaliphen und amtierenden O.H.O. des O.T.O. gewählt. Hymenaeus Beta hält dieses Amt bis zum heutigen Tage inne.

Anfang des Jahres 1996 wurde eine neue Gesellschaft gegründet, die die Arbeit der U.S. Grand Lodge of O.T.O. übernehmen sollte, während sich die vorhandene Gesellschaft als das internationale Hauptquartier des O.T.O. reorganisierte. Am 30. März 1996 wurde Sabazius X° zum Nationalen General-Großmeister der U.S. Großloge ernannt.

 

Danksagung

Zusätzlich zu den Materialien, die sich in den Archiven des O.T.O. befinden, wurden die Schriften folgender Protagonisten und Geschichtsforscher für dieses Essay herangezogen: Calvin C. Burt, W.B. Crow, Isaac Blair Evans, Antoine Faivre, S.E. Flowers, René Le Forestier, Joscelyn Godwin, Dr. J.A. Gottlieb, Ellic Howe, Francis King, Peter-Robert König, Helmut Möller, William G. Peacher, M.D., Martin P. Starr, John Symonds, M. McBlain Thomson, A.E. Waite, James Webb und John Yarker.

Die folgenden Personen haben wesentliches an geschichtlicher Information und/oder Kritik beigetragen: William Breeze, Martin P. Starr, Parsival Krumm-Heller, Soror Meral, Soror Grimaud, Lon Milo DuQuette, James T. Graeb, Bjarne Salling Pedersen und P.-R. König.

Anmerkungen

Die Hermetic Brotherhood of Light war eine mystische Gesellschaft, die von einer österreichischen Maurerischen/Rosenkreuzerischen Körperschaft abzustammen behauptete, die unter dem Namen Fratres Lucis bekannt ist. Die Fratres Lucis, die auch unter der Bezeichnung die Asiatischen Brüder oder Initiierten Brüder der Sieben Städte Asiens firmierten, leiteten sich von dem früheren deutschen Orden der Gold- und Rosenkreuzer her.
Die Hermetische Bruderschaft des Lichts scheint überdies Verbindungen zu der Hermetic Brotherhood of Luxor gehabt zu haben, einer mystischen Gesellschaft, die sich 1884 unter der Schirmherrschaft von Max Theon (alias Louis-Maximilian Bimstein, 1850-1927) der englischen Öffentlichkeit vorstellte. Die Ursprünge der H.B. des Lichts liegen im Dunkeln, doch es weist einiges auf eine Verbindung zur Hermetic Brotherhood of Luxor hin, die wiederum an der Gründung der Theosophischen Gesellschaft, wie auch der zuvor erwähnten Fratres Lucis beteiligt war und auch mit der gleichnamigen englischen Spiritistenverbindung des 19. Jahrhunderts zu tun hatte. Der in Polen geborene Theon unternahm in seiner Jugend ausgedehnte Reisen. In Kairo wurde er Schüler eines koptischen Magiers namens Paulos Metamon. Theon gelangte 1870 nach England, wo er den Geigenbauer Peter Davidson (1842 – 1916) rekrutierte, um den „Äußeren Kreis“ der H.B. des L. zu gründen. 1833 gesellte sich Thomas H. Burgoyne (alias Thomas Dalton, 1855 – 1895) zu ihnen, der später ein Buch mit dem Titel The Light of Egypt verfaßte, das die grundlegenden Lehren der H.B. des L. beschreibt. Die Aufgabe dieses „Äußeren Kreises“ sollte darin bestehen, Lehrbriefe zum praktischen Okkultismus anzubieten; dies unterschied ihn von der Theosophischen Gesellschaft. Die Lehrpläne enthielten eine umfangreiche Auswahl der Schriften von Hargrave Jennings und von Paschal Beverly Randolph.
P.B. Randolph (8. Okt. 1825 – 29. Juli 1875) genoss zu seiner Zeit als Medium, Heiler, Okkultist und Schriftsteller ein hohes Ansehen, und zu seinen zahlreichen Freunden zählten Abraham Lincoln, Hargrave Jennings, Kenneth McKenzie, Eliphas Levi, Napoleon III., Edward Bulwer-Lytton und General Ethan Allen Hitchcock. Randolphs Orden behauptete, vom Orden der Rosenkreuzer abzustammen (aufgrund einer Charter der „Höchsten Großloge in Frankreich“), und lehrte spirituelle Heilkunst, westlichen Okkultismus sowie die Prinzipien der Rassenerneuerung vermöge einer spirituellen Form der Sexualität
Yarker wurde 1871 zum Absoluten Souveränen Großmeister des Orientalischen Ritus von Misraim ernannt. Er wurde von Harold J. Seymour am 8. Okt. 1872 als Großmeister 96° des Souveränen Sanktuariums des Alten und Primitiven Ritus von Memphis in England eingesetzt. Seymour wiederum hatte seine Patente am 21. Juni 1862 von Jacques Etienne Marconis de Negre erhalten. Die Patente für den Alten und Angenommenen Schottischen Ritus von Cernau erhielt Yarker am 12. Jan. 1884 von Theo H. Tebbs, der dem Vereinten Kanadischen Obersten Großrat dieses Ritus angehörte. Yarker wurde am 11. Nov. 1902 zum Imperialen Großhierophanten 97° des Ritus von Memphis ernannt. Die Teilnehmer dieses Kongresses waren: Reuss (als Repräsentant des Souveränen Sanktuariums der Memphis und Misraim Riten von Deutschland, des Großorients des Schottischen Ritus in Deutschland, sowie der Nationalen Großloge des Vereinten Schottischen, Memphis und Misraim Ritus für Großbritannien und Irland), H.R. Hilfiker, R. Merlitschek und M. Bergmaier (als Repräsentanten des Großorients des Schottischen Ritus in der Schweiz [auf der Grundlage einer Reuss Charter vom 10. Mai 1919]), Dr. E. Pargaetzi (als Repräsentant des Souveränen Sanktuariums des Schottischen, Memphis und Misraim Ritus für Fankreich) A. Spilmer (als Repräsentant der Großloge Kolumbiens), H. Schütz (als Repräsentant Prinz Alexanders von Griechenland, Großprotektor der griechischen Freimaurerei), John Anderson (als Repräsentant der Nationalen Großloge von Schottland) sowie Matthew McBlain Thomson (als Repräsentant der Amerikanischen Maurerischen Föderation, der Großloge von Washington, D.C., und des Großorients von Kuba).
 
© Ordo Templi Orientis, Fr. Sabazius und Frater AMT.
© der deutschen Übersetzung: Fr. Aion, 2000 ev